Gedanken zur Geographie
Jetzt studiere ich die 4. Woche Geographie (wobei ich ja schon 2 Jahre lang LK Erdkunde hatte und von daher auch schon Ahnung habe) und schon öfter haben mich Leute gefragt, warum ich das denn nun genau das studiere.
Natürlich sagt man dann auf die Kürze triviale Sachen wie: "Es ist ein interessantes kurzweiliges Fach", "Man lernt nicht nur in eine Richtung sondern schaut immer mal wieder über den (Studien-)Tellerrand hinaus" oder "Es hat mich seit der Kollegstufe nichts anderes so vom Hocker gerissen in der Hinsicht".
Natürlich ist das alles Richtig, aber seit einigen Tagen habe ich mir selber oft die Frage gestellt, was denn nun so besonders an der Geographie ist. Dabei habe ich mich oft erwischt, das ich mir gedacht habe, das die zuvor genannten Antworten eigentlich nicht im Ansatz richtig sind. Sie spiegeln viel zu wenig wieder, was eigentlich das faszinierende an dieser Wissenschaft ist. Und damit sind wir schon beim Ersten Punkt:
1. Geographie ist sowohl eine Naturwissenschaft, als auch eine Geisteswissenschaft.
Das wird sofort ersichtlich wenn man sich die Lehrstühle und die Aufgliederung des Studiengangs ansieht. Dieses gliedert sich nämlich in die Physische Geographie und die Anthropogeographie (also die Humangeographie). Erstere befasst sich mit der Entstehung und dem Aufbau der Erde, sämtlichen Klimavorgängen, der Struktur und Veränderung der Erdoberfläche, um einige Teilgebiete zu nennen, und ist damit der Naturwissenschaftliche Teil der Geographie. Wer jetzt glaubt, das hat doch trotzdem nichts mit Physik, Chemie oder Mathematik zu tun, der kennt sich leider nicht aus! Am Beispiel der Klimatologie und dem darin enthalten Teil der Allgemeinen Luftzirkulation, sollte eigentlich jedem Bewusst werden, das dieses System zum Großteil auf Druckausgleich zwischen Hoch- und Tiefdruckgebieten beruht und ohne physikalisches Wissen nicht erklärt werden kann. Nicht anders sieht es aus wenn man einen Boden an einem beliebigen Ort der Erde auf seine Fruchtbarkeit analysieren will. Ohne fundierte Kenntnisse der chemischen Zusammensetzung kommt man an dieser Stelle nicht weiter. Insgesamt versucht die Physische Geographie also unseren Planeten vom Inneren Kern bis zur äußersten Sphäre zu erklären und zu analysieren. Sie geht theoretisch zurück bis zur Entstehung der Erde.
Anders die Antropogeographie. Sie existiert - sieht man das gesamte Alter der Erde als einen Tag mit 24h - erst seit einer Sekunde. Genau solange gibt es ungefähr den Menschen auf unserem Planeten. Die Humangeographie befasst sich also mit allem, was vom Menschen geschaffen wurde, wie er die Erde nutzt und in welchen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Strukturen er sich auf der Erde organisiert. Diese Themenbereiche werden mit Geisteswissenschaftlichen Arbeitstechniken erläutert und dargestellt.
Um nun einen Raum auf der Erde als Ganzes zu sehen, müssen beide Teilbereiche zusammengeführt werden, so wie es die Regionale Geographie macht. Ich glaube man erkennt nun sehr gut, wie komplex die Geographie ist und über wieviele Teilbereiche sie sich erstreckt, die aber widerum nicht isoliert voneinander betrachtet werden können. Doch nur der fachliche Teil ist es nicht, der die Geographie so wichtig macht:
2. Die Geographie ermöglicht es sich ein völlig neues, selbst erschlossenes Weltbild zu entwerfen.
Was sich zunächst hochgegriffen anhört ist mir auch erst in letzter Zeit bewusst geworden. Wenn man sich einmal mit dem Begriff Weltbild auseinandersetzt, dann versteht man im Allgemeinen darunter die Sicht, die man von der Erde als Ganzes, aber auch von einzelnen Räumen/Ländern hat. Aber wie kommen wir auf diese Ansichten? Im Prinzip werden wir an jeder Ecke, jedem Fernsehprogramm oder jeder X-beliebigen Zeitung unserem Weltbild näher gebracht. Näher gebracht?! Genau: Es wird uns vorgegeben, doch heutzutage wird es einem nicht offensichtlich bei Aufmärschen oder Kundgebungen untergejubelt, sondern es versteckt sich in der angeblichen Freiheit alles genau erfahren zu können und präsentiert zu bekommen.
Ich will das einem kurzen Beispiel erklären, da ich selbst diese Erfahrung bereits einmal in den letzten Jahren gemacht habe. Als ich im Herbst 2004 für 8 Tage mit dem Erdkunde LK in die Türkei geflogen bin, hatte ich das Bild, wie es wohl die Meisten Bundesbürger von der Türkei haben: Ein Land, das irgendwo zwischen Europa und Asien liegt, von völlig uns fremden Menschen bewohnt ist und sich in den letzten Jahren vor allem durch Beitrittsgesuche an die EU in den Schlagzeilen befand. Als ich wieder heimgekommen bin, dachte ich vor allem daran, was für ein ehrliches und frohes Leben die Türken in Kappadokien führen, wie sie stolz sind auf ihre Natur und ihren Ursprung und wie wohl ich mich auf Anhieb in dieser Woche in eben dieser Türkei gefühlt habe, obwohl wir fernab von den Touristenhochburgen an den Küsten quer durchs eher wilde Hinterland unterwegs waren. Das einem solch eine Perspektive in den Medien präsentiert wird wohl in den nächsten Jahren nicht passieren.
Wer also ein gewisses Geographisches Wissen/Interesse hat, kann sich zumindest teilweise sein eigenes Weltbild machen, da frei von außenstehenden Wertungen ist. Und trotzdem stelle ich die Behauptung in den Raum, das die Geographie noch weiter geht:
3. Die Verbreitung Geographischen Wissens führt zu mehr Toleranz und zur Einen Welt.
Wie viele von uns Industriestaat’lern können schon wirklich einen aussagekräftigen Satz zur Einen Welt machen? Ist das vielleicht das Projekt in das wir jährlich unsere Entwicklungshilfe stecken? Oder handelt es sich dabei um eine neue Achse des Bösen, die uns alle zum Islam bomben will und damit eine Welt der Einen Religion schaffen will?
Ein vielleicht schon besserer Ansatz wäre zu sagen, das es darum geht die sogenannten Entwicklungsländer sukzessive in die wirtschaftliche und globalisierte Welt mit einzubeziehen. Falls wir uns mehr mit dieser Problematik beschäftigen würden, würde es vielleicht auch Einigen klarer werden, das es womöglich bessere Wege geben könnte als immer nur Geld in dies Staaten zu pumpen und das es in Zukunft sehr wichtig werden wird – auch für uns – diese Staaten erfolgreich in die globalisierte Welt zu integrieren.
Wer sich aktiv mit den Regionen unserer Erde auseinandersetzt, wird zu einem erweiterten Horizont gelangen, fernab von Stammtischweisheiten über Hinterwelt’ler, die sowieso keine Rolle spielen, hin zu einem toleranten Geist, der erkennt, das es diesen Menschen zum Teil gerade wegen uns – den Industrieländern – so schlecht geht.
Die Zeit der Staatlichen Orientierung ist in meinen Augen vorbei. Phänomene wie die Klimaproblematik machen dies deutlich. Die Auswirkungen der Globalisierung machen ebenso wenig an Staatsgrenzen halt. Nur gemeinsam wird sich diese Welt weiter entwickeln.
Warum werde ich nun Lehrer und nicht Geograph? Weil ich glaube das es sehr wichtig ist dieses Bewusstsein an die Jugend von Morgen weiterzugeben. Der Handlungsbedarf ist gegeben!